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Friedrich von Schiller

Sein Gedicht

Das Ideal und das Leben

Friedrich von Schiller - Das Ideal und das Leben


Originalzitat des Gedichtes

Ewigklar und spiegelrein und eben
Fließt das zephirleichte Leben
Im Olymp den Seligen dahin.
Monde wechseln und Geschlechter fliehen,
Ihrer Götterjugend Rosen blühen
Wandellos im ewigen Ruin.
Zwischen Sinnenglück und Seelenfrieden
Bleibt dem Menschen nur die bange Wahl;
Auf der Stirn des hohen Uraniden
Leuchtet ihr vermählter Strahl.

Wollt ihr schon auf Erden Göttern gleichen,
Frei sein in des Todes Reichen,
Brechet nicht von seines Gartens Frucht.
An dem Scheine mag der Blick sich weiden,
Des Genusses wandelbare Freuden
Rächet schleunig der Begierde Flucht.
Selbst der Styx, der neunfach sie umwindet,
Wehrt die Rückkehr Ceres' Tochter nicht,
Nach dem Apfel greift sie, und es bindet
Ewig sie des Orkus Pflicht.

Nur der Körper eignet jenen Mächten,
Die das dunkle Schicksal flechten,
Aber frei von jeder Zeitgewalt,
Die Gespielin seliger Naturen
Wandelt oben in des Lichtes Fluren,
Göttlich unter Göttern, die Gestalt.
Wollt ihr hoch auf ihren Flügeln schweben,
Werft die Angst des Irdischen von euch.
Fliehet aus dem engen, dampfen Leben
In des Ideales Reich!

Jugendlich, von allen Erdenmalen
Frei, in der Vollendung Strahlen
Schwebet hier der Menschheit Götterbild,
Wie des Lebens schweigende Phantome
Glänzend wandeln an dem stygschen Strome,
Wie sie stand im himmlischen Gefild,
Ehe noch zum traurgen Sarkophage
Die Unsterbliche herunterstieg.
Wenn im Leben noch des Kampfes Waage
Schwankt, erscheinet hier der Sieg.

Nicht vom Kampf die Glieder zu entstricken,
Den Erschöpften zu erquicken,
Wehet hier des Sieges duftger Kranz.
Mächtig, selbst wenn eure Sehnen ruhten,
Reißt das Leben euch in seine Fluten,
Euch die Zeit in ihren Wirbeltanz.
Aber sinkt des Mutes kühner Flügel
Bei der Schranken peinlichem Gefühl,
Dann erblicket von der Schönheit Hügel
Freudig das erflogne Ziel.

Wenn es gilt, zu herrschen und zu schirmen,
Kämpfer gegen Kämpfer stürmen
Auf des Glückes, auf des Ruhmes Bahn,
Da mag Kühnheit sich an Kraft zerschlagen,
Und mit krachendem Getös die Wagen
Sich vermengen auf bestäubtem Plan.
Mut allein kann hier den Dank erringen
Der am Ziel des Hippodromes winkt,
Nur der Starke wird das Schicksal zwingen,
Wenn der Schwächling untersinkt.

Aber der, von Klippen eingeschlossen,
Wild und schäumend sich ergossen,
Sanft und eben rinnt des Lebens Fluß
Durch der Schönheit stille Schattenlande,
Und auf seiner Wellen Silberrande
Malt Aurora sich und Hesperus.
Aufgelöst in zarter Wechselliebe,
In der Anmut freiem Bund vereint,
Ruhen hier die ausgesöhnten Triebe,
Und verschwunden ist der Feind.

Wenn, das Tote bildend zu beseelen,
Mit dem Stoff sich zu vermählen,
Tatenvoll der Genius entbrennt,
Da, da spanne sich des Fleißes Nerve,
Und beharrlich ringend unterwerfe
Der Gedanke sich das Element.
Nur dem Ernst, den keine Mühe bleichet,
Rauscht der Wahrheit tief versteckter Born,
Nur des Meißels schwerem Schlag erweichet
Sich des Marmors sprödes Korn.

Aber dringt bis in der Schönheit Sphäre,
Und im Staube bleibt die Schwere
Mit dem Stoff, den sie beherrscht, zurück.
Nicht der Masse qualvoll abgerungen,
Schlank und leicht, wie aus dem Nichts gesprungen,
Steht das Bild vor dem entzückten Blick.
Alle Zweifel, alle Kämpfe schweigen
In des Sieges hoher Sicherheit,
Ausgestoßen hat es jeden Zeugen
Menschlicher Bedürftigkeit.

Wenn ihr in der Menschheit traurger Blöße
Steht vor des Gesetzes Größe,
Wenn dem Heiligen die Schuld sich naht,
Da erblasse vor der Wahrheit Strahle
Eure Tugend, vor dem Ideale
Fliehe mutlos die beschämte Tat.
Kein Erschaffner hat dies Ziel erflogen,
Über diesen grauenvollen Schlund
Trägt kein Nachen, keiner Brücke Bogen,
Und kein Anker findet Grund.

Aber flüchtet aus der Sinne Schranken
In die Freiheit der Gedanken,
Und die Furchterscheinung ist entflohn,
Und der ewge Abgrund wird sich füllen;
Nehmt die Gottheit auf in euren Willen,
Und sie steigt von ihrem Weltenthron.
Des Gesetzes strenge Fessel bindet
Nur den Sklavensinn, der es verschmäht,
Mit des Menschen Widerstand verschwindet
Auch des Gottes Majestät.

Wenn der Menschheit Leiden euch umfangen,
Wenn Laokoon der Schlangen
Sich erwehrt mit namenlosem Schmerz,
Da empöre sich der Mensch! Es schlage
An des Himmels Wölbung seine Klage
Und zerreiße euer fühlend Herz!
Der Natur furchtbare Stimme siege,
Und der Freude Wange werde bleich,
Und der heilgen Sympathie erliege
Das Unsterbliche in euch!

Aber in den heitern Regionen,
Wo die reinen Formen wohnen,
Rauscht des Jammers trüber Sturm nicht mehr.
Hier darf Schmerz die Seele nicht durchschneiden,
Keine Träne fließt hier mehr dem Leiden,
Nur des Geistes tapferer Gegenwehr.
Lieblich, wie der Iris Farbenfeuer
Auf der Donnerwolke duftgem Tau,
Schimmert durch der Wehmut düstern Schleier
Hier der Ruhe heitres Blau.

Tief erniedrigt zu des Feigen Knechte,
Ging in ewigem Gefechte
Einst Alcid des Lebens schwere Bahn,
Rang mit Hydern und umarmt' den Leuen,
Stürzte sich, die Freunde zu befreien,
Lebend in des Totenschiffers Kahn.
Alle Plagen, alle Erdenlasten
Wälzt der unversöhnten Göttin List
139
Auf die willgen Schultern des Verhaßten,
Bis sein Lauf geendigt ist

Bis der Gott, des Irdischen entkleidet,
Flammend sich vom Menschen scheidet
Und des Äthers leichte Lüfte trinkt.
Froh des neuen, ungewohnten Schwebens,
Fließt er aufwärts, und des Erdenlebens
Schweres Traumbild sinkt und sinkt und sinkt.
Des Olympus Harmonien empfangen
Den Verklärten in Kronions Saal,
Und die Göttin mit den Rosenwangen
»Reicht ihm lächelnd den Pokal.«

passendes Bild zum Gedicht


Wann entstand das Gedicht "Das Ideal und das Leben"?

Das Gedicht "Das Ideal und das Leben" wurde 1795 von Friedrich von Schiller verfasst und gehört zu seinen philosophischen Gedichten, die sich mit der menschlichen Natur und der Idee des Ideals auseinandersetzen.

Worum geht es in dem Gedicht?

Schiller thematisiert die Spannung zwischen der idealen Welt und der Realität des Lebens. Er beschreibt den Kontrast zwischen göttlicher Vollkommenheit und menschlicher Unvollkommenheit.

Inhalt / Handlung des Gedichts

Das Gedicht "Das Ideal und das Leben" behandelt den zentralen Gegensatz zwischen der idealen, göttlichen Welt und der menschlichen Realität, die von Vergänglichkeit, Leid und Unvollkommenheit geprägt ist. Schiller zeichnet die Welt der Götter als einen Ort absoluter Harmonie und Vollkommenheit, in dem die Zeit keine Rolle spielt und Jugend, Schönheit und Beständigkeit ewig währen. Diese ideale Sphäre dient als Sehnsuchtsziel und Inspirationsquelle für den Menschen.

Im Gegensatz dazu steht das menschliche Leben, das von Zwängen, Konflikten und der ständigen Wahl zwischen Sinnenglück (körperlichem Vergnügen) und Seelenfrieden (geistiger Erfüllung) geprägt ist. Die menschliche Existenz ist in Schillers Darstellung von Vergänglichkeit durchdrungen, was sich in der Geschichte von Persephone zeigt, die durch ihre Begierde an den Orkus, die Welt der Toten, gebunden bleibt. Dies symbolisiert die Gefahr, dass das Streben nach Genuss den Menschen an die materiellen und endlichen Aspekte des Lebens fesseln kann.

Schiller fordert den Menschen jedoch dazu auf, sich von diesen Begrenzungen zu lösen und sich dem Ideal anzunähern. Dies kann durch die Kunst, die innere Haltung und das Streben nach Schönheit und Wahrheit geschehen. Die Kunst spielt eine zentrale Rolle, indem sie es ermöglicht, die Zwänge der Realität zu überwinden und einen Blick in die Sphäre des Ideals zu werfen. Sie wird als schöpferischer Prozess beschrieben, der von harter Arbeit und Entbehrungen geprägt ist, aber letztendlich zu einer Annäherung an die Vollkommenheit führt.

Das Gedicht schildert außerdem die Dynamik zwischen Kampf und Überwindung: Der Mensch muss sich den Herausforderungen des Lebens stellen, um innerlich zu wachsen. Der Kampf um das Ideal erfordert Mut, Ausdauer und die Bereitschaft, sich über die irdischen Begrenzungen zu erheben. Gleichzeitig zeigt Schiller, dass dieser Prozess eine ständige Anstrengung ist, da die perfekte Verschmelzung von Ideal und Realität unerreichbar bleibt.

In den letzten Strophen verweist Schiller auf die Möglichkeit der geistigen Verklärung: Durch das Überwinden der Angst vor der Vergänglichkeit und die Hinwendung zur Schönheit und Harmonie kann der Mensch das Ideal in sich selbst verwirklichen. Der Weg zur Erfüllung führt über die Freiheit der Gedanken und die Schöpfungskraft der Kunst, die eine Brücke zwischen der realen und der idealen Welt schlägt.

Zusammengefasst zeigt das Gedicht eine Reise von der materiellen Begrenzung hin zu einer höheren, geistigen Ebene, bei der das Streben nach dem Ideal dem Leben Sinn und Bedeutung verleiht. Schiller macht deutlich, dass das Leben ein ständiger Balanceakt zwischen Realität und Ideal ist und die wahre Erfüllung im Streben selbst liegt.

Interpretation

In seinem Gedicht "Das Ideal und das Leben" setzt sich Friedrich Schiller mit dem Gegensatz zwischen der idealen, göttlichen Vollkommenheit und der vergänglichen, irdischen Realität auseinander. Das Gedicht reflektiert die menschliche Sehnsucht nach dem Ideal und die Unvermeidbarkeit des Lebens in einer unvollkommenen Welt. Schiller zeigt, dass das Streben nach dem Ideal zwar das menschliche Leben leitet, jedoch nie vollständig erreichbar ist.

Die Welt der Götter, beschrieben als "ewigklar und spiegelrein", steht für die absolute Vollkommenheit, Harmonie und Beständigkeit. Diese Welt ist für den Menschen unerreichbar, dient aber als Orientierungspunkt und inspiriert ihn, seine eigene Begrenztheit zu überwinden. Die Götter bleiben jedoch unberührt von den Kämpfen und Leiden des Lebens, was die Distanz zwischen dem Ideal und der Realität deutlich macht.

Der Mensch steht in einem ständigen Spannungsfeld zwischen Sinnenglück und Seelenfrieden, zwischen materiellen Versuchungen und geistiger Erfüllung. Die Strophe über Persephone und die Bindung an den Orkus verdeutlicht, dass die menschliche Existenz von Vergänglichkeit und Verlust geprägt ist. Hier warnt Schiller vor den Konsequenzen, wenn der Mensch versucht, das Ideal durch Genuss oder Begierde zu erzwingen.

Ein zentraler Gedanke des Gedichts ist die Überwindung dieser Gegensätze durch die innere Haltung. Schiller ruft dazu auf, sich von der Angst des Irdischen zu lösen und das Ideal im Geist und in der Kunst zu suchen. Kunst wird in diesem Kontext als der Weg dargestellt, der den Menschen aus der Enge der Realität in die Sphäre des Ideals führt. Sie ermöglicht die Transzendenz der materiellen Welt und bringt den Menschen dem Göttlichen näher.

Gleichzeitig weist Schiller auf die Bedeutung von Mühe und Beharrlichkeit hin. Nur durch harte Arbeit, symbolisiert durch den Meißel und das Marmorkorn, kann der Mensch etwas erschaffen, das sich dem Ideal annähert. Dieses Streben nach Vollkommenheit erfordert jedoch Opfer und Ernsthaftigkeit.

Die letzten Strophen heben die Verklärung und den Triumph des Geistes hervor. Der Mensch kann durch die Freiheit der Gedanken und die Annahme der Göttlichkeit in seinem Inneren eine Verbindung zur idealen Welt herstellen. Hier verweist Schiller auf die Möglichkeit, Leiden und Begrenzungen zu überwinden, indem man sich auf die höheren Werte wie Schönheit, Harmonie und geistige Freiheit konzentriert.

Schillers Gedicht ermutigt, das Leben als eine Reise zwischen Ideal und Realität zu verstehen, bei der die Vollendung nicht das Ziel, sondern der Weg selbst ist. Das Streben nach dem Ideal verleiht dem Leben Sinn und Würde, auch wenn die perfekte Erfüllung nie erreicht wird.

Reimschema und stilistische Mittel:

Das Gedicht "Das Ideal und das Leben" besteht aus langen Strophen mit einem einheitlichen Reimschema **AABCCBDEDE**. Dieses Schema kombiniert Paarreime (aa, cc, bb) mit Kreuzreimen (de, de) und verleiht den Strophen eine abwechslungsreiche, aber dennoch harmonische Struktur. Die wiederholte Verwendung dieses Schemas unterstützt die Einheitlichkeit des Gedichts und betont die Verbindung zwischen Ideal und Realität. Stilistische Mittel wie Metaphern ("Götterjugend Rosen" als Symbol für jugendliche Schönheit), Antithesen (z. B. Ideal vs. Leben) und Personifikationen ("Ihrer Götterjugend Rosen blühen") prägen den Text. Häufige Enjambements und die fließende Struktur betonen die philosophische Tiefe des Gedichts. Alliterationen ("spiegelrein und eben") und symbolische Bilder verstärken den melodischen Klang der Verse.

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