Friedrich von Schiller
Sein Gedicht
Die Glocke

Originalzitat des Gedichtes
Fest gemauert in der Erden
Steht die Form, aus Lehm gebrannt.
Heute muß die Glocke werden!
Frisch, Gesellen! seid zur Hand.
Von dem Dome,
Schwer und bang,
Tönt die Glocke
Grabgesang.
Ernst begleiten ihre Trauerschläge
Einen Wanderer auf dem letzten Wege.
Mit dem Seile
Zieh' sie an!
Fest wie das Gestirn,
Das am Himmel klar und rein
Ewig wandelt seinen Lauf.
Frisch hinein!
Das Werk der Hände
Wird geweiht,
Wenn sich Hände
Fromm verbinden,
Und der Segen
Von dem Himmel
Kommt.
(Beginn des Gedichtes)
Wann entstand das Gedicht "Die Glocke"?
Das Gedicht "Die Glocke" wurde 1799 von Friedrich von Schiller geschrieben. Es ist eines seiner bekanntesten Werke und verbindet das Gießen einer Glocke mit den Zyklen des menschlichen Lebens.
Worum geht es in dem Gedicht?
"Die Glocke" beschreibt metaphorisch den Lebensweg eines Menschen, der mit den verschiedenen Phasen des Glockengießens verglichen wird – von der Geburt bis zum Tod.
Inhalt / Handlung des Gedichts
Friedrich von Schillers Gedicht "Die Glocke" beschreibt in epischer Breite den Prozess des Glockengießens, der als Metapher für den Lebenszyklus eines Menschen dient. Das Gedicht gliedert sich in verschiedene thematische Abschnitte, die die einzelnen Phasen des Gießens mit den zentralen Stationen des menschlichen Lebens verknüpfen.
Das Werk beginnt mit der Vorbereitung des Glockengusses: Die Form wird in der Erde verankert, und die Gesellen bereiten sich darauf vor, das Werk mit Disziplin und Hingabe zu vollenden. Diese Phase steht symbolisch für den Anfang des Lebens, in dem die Grundlage für die spätere Entwicklung gelegt wird.
Schiller schildert dann die verschiedenen Schritte des Gusses, von der Mischung der Metalle bis zur Einfüllung der glühenden Masse. Diese Phase wird mit der Jugend und den frühen Herausforderungen des Lebens verglichen. Die Flamme, die das Metall schmilzt, symbolisiert die Energie und Leidenschaft, die den Menschen in seinen jungen Jahren antreibt.
Der nächste Abschnitt widmet sich der Liebe und Ehe, die durch die harmonische Vollendung der Glocke dargestellt wird. Schiller beschreibt die Hochzeit und den Aufbau einer Familie als zentrale Stationen im Lebenslauf. Die Glocke wird zum Symbol der Einigkeit und Harmonie, die in der Ehe idealerweise erreicht wird.
Im weiteren Verlauf thematisiert das Gedicht die Krisen des Lebens, insbesondere Krieg und Zerstörung. Schiller beschreibt die Unruhen und Konflikte, die das Leben der Menschen erschüttern können, und stellt sie der Beständigkeit und Harmonie der Glocke gegenüber. Der Gegensatz zwischen Ordnung und Chaos wird hier besonders deutlich.
Schließlich endet das Gedicht mit der Vollendung der Glocke und ihrem ersten Klang. Dieser Moment symbolisiert die Vollendung des menschlichen Lebens und die Rückkehr zur Gemeinschaft, die durch die Glocke zusammengehalten wird. Der Klang der Glocke begleitet die Menschen sowohl in freudigen als auch in traurigen Momenten – von der Taufe über die Hochzeit bis zum Begräbnis.
Schiller verbindet in "Die Glocke" den handwerklichen Prozess des Glockengießens mit einer poetischen Reflexion über die Stationen des Lebens. Das Gedicht endet mit einer feierlichen Würdigung der Gemeinschaft und der Werte, die sie zusammenhalten.
Interpretation
"Die Glocke" von Friedrich von Schiller ist eines der bedeutendsten Werke der deutschen Literatur, das durch die Verbindung von Handwerk und menschlichem Leben besticht. Das Gedicht zeigt die verschiedenen Lebensphasen eines Menschen – Geburt, Jugend, Liebe, Arbeit, Krisen und Tod – als Parallelen zum Glockenguss. Die Glocke wird dabei zum zentralen Symbol für Gemeinschaft, Harmonie und den Lebenszyklus.
Schiller nutzt den Prozess des Glockengießens als Allegorie für den Lebenslauf: Die Vorbereitung, das Gießen und die Vollendung spiegeln die Höhen und Tiefen des menschlichen Daseins wider. Der Klang der Glocke, der Menschen zu unterschiedlichen Anlässen zusammenruft, symbolisiert die Verbindung von Individuum und Gesellschaft.
Das Gedicht thematisiert zahlreiche Aspekte des Lebens:
- Gemeinschaft und Gesellschaft: Die Glocke repräsentiert Rituale und Traditionen, die das menschliche Leben strukturieren und Zusammenhalt schaffen.
- Lebenszyklus: Schiller beschreibt Geburt, Hochzeit, Arbeit, Krisen und Tod in metaphorischen Bildern, die den Prozess des Glockengießens begleiten.
- Liebe und Ehe: Diese Phase wird mit der harmonischen Schwingung der Glocke nach ihrer Vollendung verglichen, als Symbol für Einigkeit und Glück.
- Krisen und Zerstörung: Der Abschnitt über Krieg und Revolten warnt vor Chaos und Gewalt, die die menschliche Gemeinschaft bedrohen.
- Vergänglichkeit: Schiller erinnert daran, dass alles Irdische vergänglich ist, und hebt die Bedeutung von Harmonie und Beständigkeit hervor.
Stilistisch setzt Schiller auf Rhythmus, Klang und Symbolik. Der fließende Rhythmus des Gedichts spiegelt den Glockenguss und den Klang der Glocke wider, während Metaphern wie „Form“ und „Flamme“ die Gestaltungskraft des Lebens betonen. Der hymnische Ton verleiht dem Werk eine feierliche Atmosphäre.
Die gesellschaftliche Botschaft von "Die Glocke" ist ebenso zentral: Schiller plädiert für eine ausgewogene Gesellschaft, die auf Harmonie, Kunst und Moral basiert. Das Gedicht mahnt vor Gewalt und Chaos und erinnert an die Verantwortung, Werte wie Gemeinschaft und Zusammenhalt zu bewahren.
"Die Glocke" bleibt ein zeitloses Werk, das die Bedeutung von Traditionen und die Schönheit des Lebenszyklus feiert, während es uns auffordert, Harmonie und Sinn in unserem Leben zu suchen.
Reimschema und stilistische Mittel:
"Die Glocke" von Friedrich von Schiller zeichnet sich durch ein flexibles und frei gestaltetes Versmaß aus, das den Klang und Rhythmus des Glockengießens kunstvoll imitiert. Die rhythmischen Variationen erzeugen eine melodische Dynamik, die den Arbeitsprozess und die symbolischen Lebensphasen unterstützt.
Stilistisch nutzt Schiller eine Vielzahl von poetischen Mitteln, um die Themen und Botschaften des Gedichts zu verstärken:
- Symbolik: Die Glocke selbst ist das zentrale Symbol des Gedichts. Sie steht für Gemeinschaft, Harmonie und den Lebenszyklus. Ihre Herstellung und ihr Klang werden mit den verschiedenen Phasen des menschlichen Lebens assoziiert.
- Metaphern: Schiller setzt Metaphern wie „Flamme“ für Leidenschaft oder „Form“ für die Struktur des Lebens ein. Diese verdeutlichen die Verbindung zwischen dem handwerklichen Prozess und der menschlichen Existenz.
- Personifikation: Naturphänomene und abstrakte Begriffe werden vermenschlicht, beispielsweise „Die Flamme schweigt“ oder „Der Strom zürnt“, um die Lebendigkeit und Dramatik zu erhöhen.
- Reimschema: Das Gedicht nutzt überwiegend Paarreime (AABB), um die Harmonie und Ordnung zu unterstreichen. An einigen Stellen wird das Schema durch freie Verse aufgelockert, was die Dynamik und den Übergang zwischen verschiedenen Themen betont.
- Klangmalerei: Der Klang der Glocke wird durch lautmalerische Elemente wie den Wechsel von kurzen und langen Versen, Wiederholungen und rhythmischen Variationen nachempfunden.
- Kontraste: Schiller arbeitet mit Gegensätzen wie „Liebe und Leid“, „Friede und Krieg“ oder „Aufbau und Zerstörung“, um die Vielschichtigkeit des menschlichen Lebens darzustellen.
Der hymnische Stil und die bildhafte Sprache verleihen dem Gedicht eine feierliche und erhabene Atmosphäre. Durch die Kombination von künstlerischer Gestaltung und philosophischer Tiefe wird "Die Glocke" zu einem einzigartigen Werk, das sowohl das Handwerk als auch die menschliche Existenz poetisch würdigt.