Friedrich von Schiller
Sein Gedicht
Hektors Abschied

Originalzitat des Gedichtes
Hektors Abschied
Andromache
Will sich Hektor ewig von mir wenden,
Wo Achill mit den unnahbarn Händen
Dem Patroklus schrecklich Opfer bringt?
Wer wird künftig deinen Kleinen lehren
Speere werfen und die Götter ehren,
Wenn der finstre Orkus dich verschlingt?
Hektor
Teures Weib, gebiete deinen Tränen,
Nach der Feldschlacht ist mein feurig Sehnen,
Diese Arme schützen Pergamus.
Kämpfend für den heilgen Herd der Götter
Fall ich, und des Vaterlandes Retter
Steig ich nieder zu dem stygschen Fluß.
Andromache
Nimmer lausch ich deiner Waffen Schalle,
Müßig liegt dein Eisen in der Halle,
Priams großer Heldenstamm verdirbt.
Du wirst hingehn, wo kein Tag mehr scheinet,
Der Cocytus durch die Wüsten weinet,
Deine Liebe in dem Lethe stirbt.
Hektor
All mein Sehnen will ich, all mein Denken
In des Lethe stillen Strom versenken,
Aber meine Liebe nicht.
Horch! der Wilde tobt schon an den Mauern,
Gürte mir das Schwert um, laß das Trauern,
Hektors Liebe stirbt im Lethe nicht.
Wann entstand das Gedicht "Hektors Abschied"?
Das Gedicht Hektors Abschied wurde von Friedrich Schiller erstmals 1781 in seinem Drama Die Räuber verwendet, wo es von der Figur Amalia in der 2. Szene des 2. Aktes gesungen wird. Schiller überarbeitete das Gedicht später, und es erschien in seiner endgültigen Fassung im Jahr 1800 in der Gedichtsammlung Gedichte von Friedrich Schiller.
Worum geht es in dem Gedicht?
Hektors Abschied thematisiert die Abschiedsszene zwischen dem trojanischen Helden Hektor und seiner Frau Andromache, bevor Hektor in die Schlacht gegen Achill zieht. Das Gedicht beleuchtet die Konflikte zwischen Pflicht und familiärer Liebe sowie die Vorahnung des drohenden Todes.
Inhalt / Handlung des Gedichts
In dialogischer Form schildert das Gedicht den Abschied Hektors von Andromache. Sie äußert ihre Sorge um seine Sicherheit und die Zukunft ihres gemeinsamen Sohnes. Hektor hingegen betont seine Pflicht, Troja zu verteidigen, und akzeptiert die Möglichkeit seines Todes, während er seine unsterbliche Liebe zu Andromache beteuert.
Interpretation
Schiller greift in Hektors Abschied ein zentrales Motiv aus Homers Ilias auf und verleiht ihm durch die dialogische Struktur eine besondere Intensität. Das Gedicht reflektiert die Spannung zwischen persönlichem Glück und öffentlicher Pflicht, die Tragik des Helden, der sich bewusst für das Wohl seines Vaterlandes opfert, und die tiefe emotionale Bindung zwischen Hektor und Andromache. Die Erwähnung von Flüssen der Unterwelt wie Lethe und Cocytus unterstreicht die Thematik von Tod und Vergessen, wobei Hektor betont, dass seine Liebe den Tod überdauern wird.
Reimschema und stilistische Mittel:
Das Gedicht besteht aus sechs Strophen mit jeweils sechs Versen und folgt dem Reimschema aabccb. Schiller verwendet verschiedene stilistische Mittel, um die Emotionalität und Tiefe des Dialogs zu verstärken:
- Metaphern: Begriffe wie "stygscher Fluß" (Styx) und "finstrer Orkus" (Unterwelt) symbolisieren den Tod.
- Personifikationen: Der Cocytus "weinet", was die Trauer und das Unheilvolle der Unterwelt betont.
- Antithesen: Der Gegensatz zwischen Hektors Pflichtgefühl und Andromaches Sorge verdeutlicht den inneren Konflikt.
- Anaphern: Wiederholungen wie "All mein Sehnen will ich, all mein Denken" verstärken die Intensität von Hektors Aussagen.
Durch diese Mittel gelingt es Schiller, die Tragik und Emotionalität der Abschiedsszene eindrucksvoll darzustellen und die zeitlose Thematik von Liebe, Pflicht und Opferbereitschaft zu beleuchten.